Isocyanatpräcursoren -- ein
Ansatz für neue Chemotherapeutica ?
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank für die freundlichen Worte
der Einführung.
Wir beschäftigen uns in meiner
Hamburger Arbeitsgruppe mit Harnstoffderivaten mit transacylierende
Eigenschaften, von denen wir biologische Wirkungen, zum Beispiel Einfluß auf
die Zellteilung erhoffen.
Gestatten Sie mir zuerst eine
Darstellung der Hintergründe, die uns zu unseren Untersuchungen veranlaßt
haben.
Wie Ihnen bekannt, sind bis
heute, je nach Definition, nur ca. 20-50 % aller Erkrankungen überhaupt durch
Arzneimittel beeinflußbar. Selbst das Feld der im weitesten Sinne
antibiotischen Stoffe, auf dem seit der ersten Desinfektion mit Phenol[1]*
1867 enorme Fortschritte gemacht worden sind, muß weiterhin umfangreich
bearbeitet werden. Sei es um Resistenzen zu bekämpfen, verträglichere oder
spezifischere Substanzen zu erzielen, oder bisher nicht therapierbare
Erkrankungen wirksam angehen zu können.
Unabhängig vom vielschichtigen
Gesamtschicksal eines Arzneistoffs in einem Organismus hat sich in vielen Fälle gezeigt, daß für die Wirkung die Ausbildung
eines Pharmakon - Rezeptorkomplexes der entscheidende Schritt ist. Dies gilt
auch für germicide Stoffe, bei denen es sich im Idealfall ja um Stoffe mit selektiver
Toxizität für einen "Fremd"- Organismus handelt.
Dia [1]. [Wirkung der ß-Lactame] 1
Beispielsweise weiß man von den
ß-Lactamen, daß sie in der Kaskade der Zellwandbiosynthese die Transpeptidase
des letzten verknüpfenden Schritts der Peptidoglycan-Synthese durch Acylierung
inaktivieren.
Dia [2]. [Computervergleich] 2
Vermutlich durch die
Konformationsähnlichkeit des den ß-Lactamen zugrunde liegenden Dipeptids aus
D-Cystein und D-Valin und dem eigentlichen Substrat der Transpeptidase, einem
Peptid mit der Teilstruktur des D-Alanyl-D-alanin.
Bei der Entwicklung
synthetischer Germicide[i]
zeigt sich, daß chemisch hoch reaktive Strukturen wegen unspezifischer
Wirkungen oft nicht einsetzbar sind.
Dia [3]. [Transportform 1.ter u.2.ter
Art] 3
Ein Weg, um zum Beispiel
toxische Effekte zu umgehen ist, den Wirkstoff in eine untoxische
"Transportform" einzubauen, aus der er erst am Zielort in seine
"Wirkform" überführt wird. Arzneistoffe dieses Typs werden nach Kreutzkamp[ii]
"Transportformen 1.ter Art[2]*"
genannt. In einigen Fällen kann es jedoch durch unspezifische
Freisetzung zu unerwünschten Reaktionen kommen, wenn ubiquitäre
chemische oder biologische Vorgänge[3]*
die Wirkform freisetzen. Diese Gefahr kann durch Einsatz einer, nach Kreutzkamp
als "Transportform 2.ter Art" zu bezeichnenden
Weiterentwicklung, die den Wirkteil, ohne das dieser frei auftritt,
direkt aus dem intakten Molekül auf den Rezeptor überträgt, vermieden werden.
Als bedenklich ist jedoch die
Möglichkeit der unspezifischen Formaldehydfreisetzung in anderen Geweben
einzustufen.
Dieser Gefahr kann man durch den
Einsatz einer Weiterentwicklung nach dem Prinzip "Transportformen 2.ter
Art" begegnen.
Einen an das Urotropini
in diesem Sinne anknüpfenden Fortschritt stellt der in neuerer Zeit[iii]
entwickelte Arzneistoff Taurolidini (TaurolinR) dar.
Dia [5]. [Taurolidin] 4
Als Wirkmechanismus konnte eine
Reaktion der von Plasmaenzymen freigesetzten aminalischen Kohlenstoffe mit
freien bakteriellen Aminogruppen durch Vernetzung über Methylenbrücken bewiesen
werden. Durch 14C-Markierung wurde gezeigt, daß nur die mit Pfeilen
gekennzeichneten Atome reagieren.
Die anfangs vermutete Reaktion
über freies Formaldehyd konnte durch gaschromatographische
Messungen mit Sicherheit ausgeschlossen werden[iv],
die gemessen Konzentrationen waren kleiner als 0.004%.
1. Isocyanate können mit
nucleophilen Gruppen in biologisch wichtigen Molekülen stabile Addukte bilden.
Damit sind häufig
pharmakologische Effekte, oft toxischer Art[v],
verbunden, die den direkten therapeutischen Einsatz verhindern.
2. Isocyanate sind potentiell
als germicide Stoffe geeignet, wenn es gelingt, ihre toxischen Effekte
selektiver und moderater zu gestalten.
So hatten sich bei Pharmaka auf
der Basis von Senfölbildnern gerade die in vitro hoch wirksamen Stoffe in
vivo als unbrauchbar erwiesen da sie zu leicht zu Senfölen zerfallen
und damit in der Anwendung Probleme[4]*
aufweisen[vi].
3. Es gibt Hinweise auf den
Mechanismus der Wirkungen von Isocyanaten.
Zielmoleküle sind in diesen
Fällen Amino- und Amidogruppen[vii]
von Proteinen. Damit existiert auch ein Angriffspunkt, der für erwünschte
pharmakologische Wirkungen denkbar ist.
4. Man kennt ferner eine
größere Zahl sehr unterschiedlich konstruierter Verbindungen, die als
Isocyanatpräkursoren nutzbar sind. Einige von ihnen, unter Ausklammerung
cyclischer Derivate, sind im folgenden Bild zusammengestellt[viii].
Dia [6]. [Verschiedene
Isocyanatspalter] 5
Diese und andere "verkappte
Isocyanate", besonders aus der Reihe der Diisocyanate, werden für
Polymerisationsreaktionen großtechnisch genutzt, da ihr Zerfall thermisch
auslösbar ist.
Die Nutzung derartiger
Abspaltungseigenschaften für pharmakologische Zwecke war meines Wissens bisher
noch nicht untersucht worden.
Zur Untersuchung auf ihre
Eignung als Transportform erschienen mir die N-substituierten,
N'-acylierten Harnstoffe besonders geeignet. Für sie spricht, daß die
Harnstoffpartialstruktur in einer großen Zahl von bekannten Arzneistoffen
enthalten ist. Es scheint daß Harnstoffe, möglicherweise wegen ihrer
Verwandtschaft mit natürlich auftretenden Verbindungen, zu den "biologisch
tolerierbaren" Strukturen gehört.
In gängigen Lehrbücher und in
zusammenfassenden Artikeln[ix]
werden Harnstoffderivate mit anaesthetischer, pesticider, antidiabetischer,
antidepressiver, antituberkulöser, hypoglykämischer, antikonvulsiver,
antineoplastischer und hypnotischer Wirkung sowie als Pflanzenschutz- und
Schädlingsbekämpfungsmittel beschrieben.
Dia [8]. [Arzneistoffbeispiele] 6
Es sprengte diesen Vortrag, alle
Anwendungen mit Strukturbeispielen zu belegen.
Mit diesen, zum Teil in
Heterocyclen eingebundenen Harnstoffstrukturen, möchte ich Ihnen nur zeigen,
wie vielfältig alleine die Anwendungen als Chemotherapeutica sind.
Hierbei bitte ich besonders das
Krebsmittel Carmustini zu beachten. Dia [10].
[Carmustin Wirkmech.] 7
Hier sehen Sie die in der
Literatur vermutete Erklärung der Wirkung. Dabei wird stets auf das "alkylierende
Carbeniumion" abgehoben, das mitentstehende Isocyanat wird
nicht besonders behandelt[5]*.
Weitgehend unbeachtet scheint dabei eine Veröffentlichung von Kann, Kohn und
Lyles in "Cancer Research" von 1975 geblieben zu sein, die
schreiben:
"The
isocyanat seems to be important, since other N-nitroso-urea-compounds have little
or no activity".
[Zu unseren eigenen
Untersuchungen]
Die ersten von uns eingehend
untersuchten Verbindungen, die N-substituierten, N'-acylierten Harnstoffen,
sind als Stoffklasse schon seit über 100 Jahren bekannt[x].
Ihre Darstellung erfolgte durch Zusammenschmelzen der Ausgangsstoffe, Erhitzen von Amiden in flüssigen Isocyanaten oder Umsetzung beider Komponenten in hochsiedenden Lösungsmitteln. Weitere Zugangswege bieten die Umsetzung von Acylisocyanaten mit Aminen, die Acylierung von Harnstoffen sowie ein modifizierter Hofmann-Abbau.
Dia
[11]. [Darstellungswege] 8
Wir nutzen, in etwas
abgewandelter Form, als Hauptzugangsweg die Umsetzung von Säureamiden mit Isocyanaten
in trockenem Dioxan unter Rückfluß, meist mit befriedigenden bis guten
Ausbeuten. Daneben wurde in einigen Fällen die Umsetzung von Acylisocyanaten
mit Aminen oder aminanalogen Verbindungen in Ether bei Raumtemperatur
verwendet. Nach beiden Methoden ist eine erwünschte breite Variation der
Reaktionspartner möglich.
Dia [12]. [Erste Spaltungen] 9
Schon bei ersten
Spaltungsversuchen mit Aminen als Modellnucleophilen zeigte sich, daß die
beiden prinzipiell denkbaren Spaltungswege zu Isocyanaten und Acylisocyanaten
zur Beschreibung des wesentlich komplexeren Spaltungsverhaltens nicht
ausreichten. Während im Falle der Piperidinolyse der Verbindung X = H sowohl Produkte eines Isocyanat- als auch
Acylisocyanat- Zerfallsweges beobachtet werden konnten, wurde im Falle der
Verbindung X = Cl nur ein analoges Acylisocyanatprodukt gefunden. Da die
Umsetzungen unter sonst gleichen Bedingungen durchgeführt wurden und die
Aufarbeitung "low - bar" - säulenchromatographisch mit
Wiederfindungsraten der eingesetzten Substanzmengen größer 80 - 90 % erfolgte,
konnte der Zerfallsweg nur von den Substituenten am Aromaten abhängig sein.
Um die Substituenteneinflüsse
abzuklären, wurden zahlreich verschieden substituierte Verbindungen unter
Berücksichtigung der Taft- und Hammett-
Parameter hergestellt.
Das Zeigen entsprechender langer
Tabellen möchte ich Ihnen jedoch hier und auch im Folgenden ersparen.
Diese wurden dann in
Spaltungsuntersuchungen in ihrem Verhalten gegen verschiedene Nucleophile
getestet. Um die Zahl der sich ändernden Parameter nicht zu groß zu gestalten,
wurden dazu "Standardbedingungen" bezüglich Lösungsmittel,
Temperatur, Aufarbeitung usw. definiert und angewendet.
Als in vitro Modellsubstanzen
für die in reaktiven Zentren von Enzymen häufig anzutreffenden SH- bzw. NH-
Funktionen wurden Thiophenol und Benzylmercaptan sowie verschiedene Amine
verwendet. Die Selektivität der Spaltung war erfreulich. Reaktionen mit OH-und
SH- Nucleophilen sowie CH- aciden Substanzen trat nicht ein. Da die toxischen
Effekte von Isocyanaten, wie erwähnt, wesentlich auf die Reaktion mit Aminogruppen
von Biomolekülen zurückzuführen sind, ist hier eine wichtige Eigenschaft der
"Wirkform" in der potentiellen "Transportform" erhalten geblieben.
Um den Einfluß der Basizität der eingesetzten Amine abzuklären wurden
vielfältige Amine erprobt. Während sich die Substanzen gegen Anilin und
Imidazol inert verhielten, gab es Unterschiede zwischen den primären Aminen
auf der einen und den sekundären Aminen auf der anderen Seite.
Dia [14]. [Hauptspaltwege] 10
Neben den erwähnten
Hauptreaktionswegen A und B können eine
Reihe von "Nebenwegen" auftreten. Nebenwege bedeutet
hierbei nicht Nebenprodukte, die zu beschreibenden Produkte sind Haupt-
oder einziges Reaktionsprodukt.
Als Ausweichreaktionen (Weg
e) treten bei geeignet konstruierten Verbindungen Substitutionen[6]*
oder Additionen[7]*
im Rest R1 auf. Im Falle entsprechender aliphatischer Reste R2
ist dies die einzige zu beobachtende Reaktion.
Bei ausreichender NH-Acidität
werden auch Salzbildungen (Weg d) mit den zur Spaltung gedachten Aminen
beobachtet.
Wenn es sich beim Acylrest um
einen Formylrest handelt, wird nur eine Abspaltung (Weg a) oder
Übertragung (Weg b) des Acylrestes auf das Amin beobachtet.
Eine ungewöhnliche
Ausweichreaktion (Weg c), die zwar in einem Einzelfall beliebig
wiederholbar ist, von der es uns jedoch nicht gelang, sie auf andere Beispiele
zu übertragen, möchte ich hier nicht weiter eingehen.
Um das beobachtete vielfältige
Spaltungsverhalten einheitlicher zu gestalten, wollten wir durch Blockierung an
N'- bzw. N- jeweils eine der denkbaren Spaltungsmöglichkeiten verhindern.
Dia [18]. [Blockierungsversuche] 11
Bei Verbindungen des Typs I
sollten Acylisocyanate und bei Verbindungen des Typs II Isocyanate
durch die Blockierung nicht auftreten können. Zur Darstellung sind mehrere
Zugangswege theoretisch vorstellbar. So sollten Derivate des Typs I
formal aus N-substituierten Carboxamiden und Isocyanaten zugänglich sein.
Während sich jedoch N-unsubstituierte Carboxamide problemlos mit
Isocyanaten umsetzen, versagt die Reaktion mit den meisten N-substituierten
Amiden, ausser den Lactamen.
Eine Erklärung für dieses
Verhalten soll nach Literaturangaben[xi]
in der "zu geringen Basizität" der Amide zu suchen sein.
Es gelang uns in dieser Reihe
erstmals sowohl N-Methyl- als auch N-Phenyl-formamide mit Isocyanaten
umzusetzen.
Dies erinnert an Befunde von
Möhrle und Spillmann[xii]
zur Darstellung von N-Mannichbasen. Dort lassen sich gleichfalls N-substituierte
Formamide, im Gegensatz zu anderen sekundären Amiden, einsetzen.
In den Spaltungsuntersuchungen
zeigte sich ein nach dem Substituent R am Stickstoff des Formylrestes
differenziertes Bild.
Dia [19]. [Spaltg. der sek.
Formamide] 12
Nur Derivate des Formanilids
ergaben über Isocyanatspaltung erklärbare Produkte, Derivate des
N-Methylformamids erwiesen sich, wie die N-unsubstituierten Derivate, als
Transformylierungsreagentien.
Die IR-spektroskopische
Kontrolle der Spaltungsansätze ergab für die Formanilidderivate das Auftreten
eines Isocyanatpeaks, so daß ein thermisch induzierter Zerfall leider nicht
auszuschließen war.
Nach Aufnahme eines
Bezugsspektrums wurden Testlösung und Lösungsmittelvergleich direkt aus dem
Ansatz durch ein Beckman MikrolabR 600 IR-Gerät gepumpt[8]*
und im überlagerten Verfahren alle 5 bzw. 10 min ein Differenzspektrum
aufgezeichnet. Um Rückreaktionen zu erkennen wurde das Erhitzen abgebrochen und
bis zum Erkalten weiter registriert. Bei Ansätzen ohne Nucleophil konnte so
durch das Fehlen einer entsprechenden Banden im IR
Spektrum ein Zerfall durch thermische Dissoziation in freies Isocyanat
und Amid und Erklärung des Spaltungsverhaltens durch Reaktion des ersteren mit
den zugesetzten Aminen ausgeschlossen werden.
Dia [13]. [Spektrum 60 fach] 13
Im Dia dargestellt ist eine 60
fach wiederholte Registrierung des Spektrums im 5 min Abstand. Es zeigt, daß
die Verbindung über den gesamten Meßzeitraum stabil ist.
Dia. [21] [Spektren 2 Iso bei Lactam] 14
Spektrum 2a zeigt den
Ausgangszustand. Spektrum 2b ein unter gleichen Bedingungen
aufgenommenes Spektrum von Phenylisocyanat. Spektrum 2c zeigt das durch
wiederholte Registrierung während des Erhitzens gewonnene Spektrum mit dem
anwachsenden Isocyanatpeak. Spektrum 2d zeigt den Endzustand.
Diese Verbindungsklassen waren
daher für den angestrebten Untersuchungszweck ungeeignet.
Dia [22]. [Blockierungstypen Aryl, III u.
IV] 15
Bitte betrachten Sie zuerst den
oberen Teil des Dias.
Am arylsubstituierten Stickstoff
blockierte Verbindungen waren durch Umsetzung von Acylisocyanaten mit
sekundären Aminen erhältlich. Leider zersetzten sich die meisten Produkte
schon nach kurzer Zeit unter blauer Verfärbung. Dies entspricht Befunden von
Kiemstedt und Sundermeyer[xiii]
an Umsetzungsprodukten zwischen Trifluoracetylisocyanat und N,N-Diphenylamin.
Dia [23]. [Russen/Wir - Ketimin/Iso] 16
Aus dieser Stoffklasse waren
meines Wissens bisher nur einige Diphenylmethylenharnstoffe hergestellt und von
einer russischen Arbeitsgruppe[xiv]
in Aminolyseuntersuchungen getestet worden. Als Ergebnis wurden Additionen an
die Doppelbindung beschrieben. Wir haben diese Untersuchungen aufgegriffen und
sowohl nach der Originalvorschrift[10]*,
als auch mit unseren "Standardbedingungen" bei der Aminolyse nur
Produkte eines Isocyanatweges in Ausbeuten von 80 - 100 % und kein Additionsprodukt
gefunden.
Die säulenchromatographisch
bestimmten Substanzwiederfindungsraten waren dabei größer als 80 - 90 %, das
Spaltungsverhalten der Substanzen wie erwartet[11]*.
Dia [24]. [Typ IV Ketimin-Acyliso] 17
N-Acyl-N'-alkylidenharnstoffe
waren meines Wissens bisher noch nicht beschrieben worden. Wir konnten sie
unter milden Bedingungen bei -15oC in absolutem Tetrahydrofuran aus
Ketiminen und Acylisocyanaten erhalten. In den Spaltungsuntersuchungen
erwiesen sie sich in Abwesenheit von Nucleophilen, auch bei
in-situ-IR-Untersuchungen, als stabil. Mit Aminen gaben sie, wie erwartet, in
Ausbeuten über 80 - 99 % die Produkte eines Acylisocyanatweges.
Eine Besonderheit stellen in
diesen Reihen Addukte zwischen Acylisocyanaten und Isopropylphenylketimin dar.
Dia [25]. [Spektrum 3
Acylimin-Eniso] 18
Nach neueren Untersuchungen[12]*
liegt Isopropylphenylketimin in der Iminoform und nicht in einer denkbaren
Enaminostruktur vor. Die Additionsprodukte mit Acylisocyanaten lagern sich nach
1H-NMR- Untersuchungen, das Auftreten der beiden isolierten
Methylsignale beweist das Vorliegen der Verbindung in der Enaminoform, jedoch
vollständig in diese um, wie es für derartige tautomeriefähige Systeme zu
erwarten ist.
Dia [26]. [Spaltung Acyliso-Ketimin] 19
In den Spaltungsuntersuchungen
ergaben sie hingegen ausschließlich Produkte des Acylisocyanatweges, was eine
Reaktion aus den Alkylidenharnstoff-Tautomeren gemäß dem gezeigten Schema
nahelegt. Es wird zusätzlich dadurch gestützt, daß Produkte einer denkbaren
En-Isocyanatspaltung nicht beobachtet wurden.
Dia [27]. [Imidate u. Isocyanate] 20
Wegen der Einschränkung auf
Ketimine, Aldimine lagern immer um und sind damit nicht einsetzbar, wurden dann
Umsetzungsprodukte von Imidaten, auch Imidoester genannt, und Isocyanaten
hergestellt und untersucht.
Im Gegensatz zur sonst breiten
Bearbeitung der Imidate waren Umsetzungen mit Iso- und Acylisocyanaten meines
Wissens bisher noch nicht vorgenommen worden[xv].
Imidate sind durch die bekannte
"Pinner-Reaktion"[13]*
als Hydrochloride meist gut erhältlich, die freien
Basen hingegen sind nur kurzzeitig stabil. Wir stellten
erstere daher nach einem literaturüblichen Verfahren[xvi]
her und setzten sie als Basen sofort nach der Freisetzung ohne Isolierung um.
Die Reaktion in Tetrahydrofuran
bei -15oC verläuft erstaunlich glatt, wobei die Ausbeuten größer 40%
- 90% waren.
Als Isocyanatkomponente waren
nur Arylisocyanate einsetzbar. Wenn R1 und/oder R3
aliphatisch sind, werden ausschließlich die, aus der Reaktion der
entsprechenden Isocyanate mit sich selbst erklärbaren, symetrischen Harnstoffe
isoliert.
Der notwendige Strukturbeweis
für den Erhalt der Imidoesterpartialstruktur in den Umsetzungsprodukten, um
das Eintreten einer Chapman-Umlagerung[14]*,[xvii]
auszuschließen, läßt sich leicht durch das 13C-NMR am folgenden
Beispiel führen.
Dia [28]. [Spektrum 8 13C-Methoxy] 21
Der Peak für das O-CH3
Signal 3 liegt bei etwa 55 ppm, in guter Übereinstimmung mit der
Literatur, die für Methyl als α-Substituenten am Sauerstoff 50 - 60 ppm
angibt. Ein entsprechender Peak für N-CH3 wird mit maximal 48 ppm,
meist um 35 ppm angegeben. In den anschließenden Spaltungsuntersuchungen
erwiesen sich die Verbindungen in Abwesenheit von Nucleophilen wie erhofft als
stabil, mit Aminen ergaben sie in guten Ausbeuten die Produkte eines Isocyanatweges.
Dia [29]. [Imidate u.
Acylisocyanaten] 22
Umsetzungsversuche zwischen
Imidaten und Acylisocyanate führten anfangs nicht zu den gewünschten Produkten
sondern zu den entsprechenden N,N'-bisacylierten
Harnstoffen. Ihre Bildung ist analog zu den Isocyanaten als Reaktion der
Acylisocyanate mit sich selbst erklärbar. Erfolgreich waren erst Umsetzungen
bei Temperaturen von -70 oC. Die entstandenen Produkte erwiesen sich
jedoch als thermolabil. So war es z.T. nicht möglich sie umzukristallisieren.
Dagegen waren sie gegen protische Lösungsmittel wie Ethanol oder
Wasser erstaunlich stabil. Einige konnten sogar durch Waschen mit Wasser
gereinigt werden. In den Spaltungsuntersuchungen ergaben sie erwartungsgemäß
Produkte eines Acylisocyanatweges.
Im folgenden
möchte ich über einen Teil unserer Bemühungen die biologische Wirkung
der hergestellten Substanzen zu ermitteln, berichten.
Als einfachen Test, auf
zellteilungsbiologische Aktivität unserer Verbindungen verwendeten wir eine
modifizierte Form des "Kresse-Wurzel-Tests" nach Butula[xviii].
Zur Durchführung läßt man 20 - 30 Samen der Gartenkresse[15]*
in destilliertem Wasser auf Filtrierpapier keimen. In der Originalvorschrift
nicht erwähnt, aber besonders bemerkenswert erscheint mir, daß man unbehandelte
Samen verwendet, die schwer zu bekommen sind. Nach 48 h Kultur bei 20 +/-1 oC
wurde das Wasser gegen die Prüflösung ausgetauscht. Als Testkonzentration wurde
1 mg/ml verwendet. Nach 24 h bestimmten wir von der Hälfte der Samen, nach
weiteren 24 h von der anderen Hälfte die
Entwicklung der Wurzelhaare, indem wir sie unter einem Stereomikroskop
betrachteten, photographierten und vermaßen und mit in Wasser gezogenen Samen
verglichen.
Dia [32]. [Photos Kressetest] 23
Abgebildet sind Ergebnisse der
Testung der Isocyanat-Imidat - Addukte. In der Mitte ist die Entwicklung der
Wurzelhaare der Vergleichspflanze, umgeben von verschiedenen Testansätzen zu
sehen. Wie sie sehen sind in diesen Fällen die Wurzelhaare nur noch rudimentär
entwickelt.
Im vorbeschriebenen Test hatten
sich die Umsetzungsprodukte zwischen Ketiminen oder Imidaten und Isocyanaten
als bisher wirksamste Verbindungsklassen[xix]
erwiesen.
Da beiden Stoffklassen die C=N -
Doppelbindung am abzuspaltenden Molekülteil gemeinsam ist, suchen wir nach
weiteren entsprechenden Strukturen als Iminkomponenten.
So untersuchen wir z.Zt.
4-Imino-tetrahydro-chinazolin-2-one. Dia
[33]. [Darstellung Chinazolinone] 24
An 3-Position substituierte und
an der Iminogruppe unsubstituierte Verbindungen wurden erstmals
1960 von Breukink und Verkade[xx]
erhalten. An der 3-Position substituierte und der Iminogruppe carbamoylierte
Derivate sind unseres Wissens bisher unbekannt. Wir führten die Darstellung aus
2-Aminobenzonitril und entsprechenden Isocyanaten bei Raumtemperatur in Ether,
den Ringschluß unter Katalyse mit Piperidin oder Kaliumtertiär-butanolat in Dioxan
und die Umsetzung zum Zielprodukt erneut mit Isocyanaten durch. Auf die mit
1492 gekennzeichnete Schlüsselverbindung möchte ich im Folgenden näher
eingehen.
Dia [34]. [1492 in Deuteroaceton +
Formel] 25
Auf dem Dia sehen Sie einen Ausschnitt
des Aromatenbereichs des 1H Spektrums der Verbindung in
Deuteroaceton, der mit einem vier-spin-System annähernd erster Ordnung und
einem AA'BB' System die angegebene Struktur zu bestätigen scheint.
Da die Löslichkeit der
Verbindung in Aceton sehr schlecht war und wir auch 13Kohlenstoff-Spektren
aufnehmen wollten, wurden diese in DMSO aufgenommen. Und damit begannen die
Probleme.
Dia [35]. [NMR 1492 (13C und 13C
APT 15N DEPT)] 26
Zu unserer Überraschung zeigten sie
nicht den kompletten Satz der erwarteten Signale [14] und diese werden z.T.
noch breit detekiert. [bestenfalls 8 - 10] Beachten Sie dabei bitte die Signale
der quartären Kohlenstoffe im multiplizitätsselektierten Spektrum [APT]. Es ist
zu vermuten, daß sich vorwiegend diese an möglichen Tautomeren beteiligen.
Greift man dann in der Verzweifelung zum 15N-Spektrum ist die
Verwirrung komplett. In dem mit Hilfe der DEPT Technik aufgenommenen Spektrum
wären, methodebedingt, nach der Strukturformel je zwei Signale der beiden
Wasserstoff tragenden Stickstoffe zu erwarten. Tatsächlich beobachtet man nur
ein als Dublett auftretendes Signal. Die erneut in DMSO aufgenommenen 1H-NMR
Spektren unserer Substanzen zeigten eine zeitabhängige, reproduzierbare Veränderung.
Dia [36]. [1492 (1H frisch, 5
Tg, H-H 2-D)] 27
Im Bild sehen Sie erneut
Ausschnitte der aromatischen Signale des 1H NMR Spektrums und zwar
einmal der frisch gelösten Substanz und einmal nach fünf Tagen. Sie zeigen die
erwarteten, mit Sternchen gekennzeichneten, Signale für das vier-spin-System.
Merkwürdig sind hingegen die mit Punkten gekennzeichneten Signale des
4-Chlorphenylringes. Anstelle eines einfachen AB-ähnlichen Systems sind verbreiterte
Linien zu beobachten, die auf vier separate Wasserstoffe hinweisen. Diese
verändern sich, in Abhängigkeit vom Wassergehalt des DMSO, von einem vier-spin
System bis zu einem, hier nicht gezeigten, verbreiterten zwei-spin System und
weisen langsame Austauschreaktionen auf.
An dem Ausschnitt aus dem 2-D
Spektrum kann man letzte Zweifel, ob es sich nicht doch um ein AB - System
handelt, beseitigen. Die Zuordnung der Kopplungssignale und die Größe der
Kopplungskonstanten von ca. 7 Hz ergibt, daß es sich um ein System mit
"gekreuzter" Kopplung handelt, wobei "gekreuzt" nur
geometrisch gemeint ist.
Wie erklären wir uns diese Beobachtungen ?
Dia [37]. [Dimroth U. / Ergebnisse
Taylor] 28
In einer Arbeit von Taylor und
Mitarbeiter[xxi]
aus dem Jahre 1962 beschreiben die Autoren, daß sie aus
4-Imino-3-phenyl-tetrahydro-chinazolin-2-thion durch Dimroth[16]*
- Umlagerung[xxii]
auch die an der 3- Position unsubstituierten N-substituierten
4-Amino-dihydro-chinazolin-2-thione erhalten hatten.
Eine analoge Umlagerung des
4-Imino-3-phenyl-tetrahydro-chinazolin-2-on[17]*
gelang Taylor auch unter verschiedensten basischen Bedingungen und
Lösungsmitteln nicht, sondern führte nur zu Hydrolyseprodukten.
Dia [38]. [Tautomerengleichgewicht] 29
Wir glauben, daß die NMR
Spektren unserer Substanz durch das im Dia dargestellte
Cyclotautomerengleichgewicht erklärbar sind.
Es erklärt :
1) die beobachteten mehreren
breiten und labilen Wasserstoffsignale im 1H NMR,
2) die beobachteten vier bzw.
zwei Signale durch Einbeziehung des 4-Chlorphenylsystems in den Austausch über
E/Z Isomerie,
3) das Verhalten in den 13C
Spektren durch die wechselnde Umgebung und
4) das eine scharfe
Stickstoffsignal in den 15N Spektren.
Wahrscheinlich handelt es sich
um den in allen Formeln als NH gezeichneten Stickstoff. Allen anderen NH-Signale gehen durch breite Koaleszenz im
Grundrauschen unter.
Das System erweist sich also nicht
als statisch und eindeutig, sondern das entsprechende Dimrothprodukt ist
zumindest im Gleichgewicht in der Lösung vorhanden.
Nachdem auch die
Massenspektroskopie, [Folie] wegen der thermischen Empfindlichkeit der
Verbindungen, nicht weiter half, haben wir versucht uns dem Problem mittels der
Röntgenstrukturanalyse zu nähern, obwohl der Unterschied Festkörper - Lösung
damit natürlich nicht geklärt ist. Aufgrund mangelnder
Kristallisationseigenschaften mußten wir statt des 4-Chlorphenyl-Derivates auf
die phenylsubstituierte Verbindung (1513) zurückgreifen. Diese zeigt in DMSO
prinzipiell gleiches Verhalten, wenn auch, durch das Fehlen der
4-Chlorsubstitution, nicht so gut erkennbar.
Dia [40]. [Röntgenstruktur 1513] 30
Als Ergebnis der
Röntgenstruktur, hier in einer Schakaldarstellung, ist festzustellen, daß im
Kristall die Iminstruktur und nicht das Dimrothprodukt vorliegt.
Der R-Wert beträgt 5.5, leider
fehlt im Bild durch einen bertragungsfehler ein Wasserstoff.
Um der Frage der Umlagerung
weiter nachzugehen, untersuchten wir die 3-alkylsubstituierten Derivate.
Dia [xx]. [NMR JH 28 u. NMR Edukt] 31
Im oberen Teil des Dias sehen
Sie die offenkettige Verbindung, im unteren Teil die ringgeschlossene Struktur.
Würde hier das umgelagerte Produkt vorliegen, müßte eine NH-CH Kopplung im 1H-NMR
wie im Ausgangsprodukt auftreten. Wie Sie sehen ist das nicht der Fall, also
ist hier eine Umlagerung wohl auszuschließen.
Dia [xx]. [Imidaz2] 32
Die von uns derzeit untersuchten
5,5-Disubstituierten 4-imino-imidazolidin-2-one zeigen ein
vergleichbares Bild. Rechnerische Vergleiche der Reaktionsenhalpien zwischen
umgelagerter bzw. nicht umgelagerter Form mit Hilfe von Kraftfeldrechnungen[18]*,[19]*
weisen nur bei den 5,5-Diphenylprodukte auf eine größere Tendenz zur Dimrothumlagerung
hin, wie man an den negativen Werten der 3,5,5-triphenylsubstituierten
Verbindung erkennen kann. Ob hier eine Besonderheit bei aromatischer
Substitution vorliegt, kann von uns derzeit nicht entschieden werden.
Abschließend möchte ich über
Umsetzungen von Isoharnstoffen mit Isocyanaten berichten.
Dia [xx]. [DIATH1 O-Alkyl/O-Aryl-
Isoharnst.] 33
Die Darstellung der benötigten
Isoharnstoffe mit einer freien Iminogruppe erfolgt nach der Literatur[xxiii]
auf zwei unterschiedlichen Wegen.
O-Alkyl‑isoharnstoffe,
erstmals von Steglitz und McKee 1899[xxiv]
beschrieben, können aus den entsprechend substituierten Cyanamiden und
Alkoholen im Überschuß unter basischer oder saurer Katalyse in glatter Reaktion
erhalten werden.
Die aus unserer Sicht, wegen der
zu vermutenden Substituenteneinflüsse auf das Spaltungsverhalten,
interessanteren O‑Aryl-isoharnstoffe sind auf diesem Weg nicht
zugänglich, da im Gegensatz zu den Alkoholaten die Phenolate nicht an Cyanamide
addierbar sind. Ihre Darstellung erfolgt durch Umsetzung von Phenylcyanaten,
auch Cyansäureester genannt, mit den entsprechenden Aminen, bzw. im Falle
aromatischer Amine mit den entsprechenden Hydrochloriden oder ‑bromiden.
Durch Variation der
Reaktionspartner, einerseits im Phenol- und damit im daraus
gebildetem Cyanat, anderseits in der Aminkomponente sind die
Isoharnstoffe in großer Breite erhältlich.
Es gelang uns dabei auch, durch
Modifikation der erwähnten Literaturvorschrift (O-Aryl), die bisher nicht
darstellbaren N,N,O‑Tri‑phenylisoharnstoffe
darzustellen.
Dia [xx]. [DIATH2 Umsetzung mit
Isocyanaten] 34
Die weiteren Umsetzungen mit Isocyanaten zu Carbamoylisoharnstoffen,
wie ebenfalls bereits von McKee
beschrieben, ergaben in Ausbeuten größer 70 ‑ 90 % zunächst nur mit
Arylisocyanaten die entsprechenden Addukte, während mit Acylisocyanaten nur die
aus der Reaktion mit sich selbst
erklärbaren N,N'‑disubstituierten Harnstoffe entstanden.
Setzt man jedoch bei ‑60
bis ‑30oC in absolutem Ether um, erhält man auch hier die
gewünschten Produkte.
In den nachfolgenden Spaltungsuntersuchungen
erwiesen sich die Umsetzungsprodukte
mit Acylisocyanaten häufig als zu
instabil. Viele reagierten bereits in
der Kälte mit absolutem Ethanol, oftmals innerhalb weniger Stunden, zum entsprechendem Acylurethan oder begannen sich schon nach
wenigen Tagen bei Raumtemperatur zu zersetzen.
Eine mögliche Stabilisierung und
damit verbundene Nucleoselektivität
durch andere Substituenten wird derzeit noch untersucht.
Dia [xx]. [Dia Kressebilder H2O, TH59,
TH92] 35
Bedauerlicherweise sind die Dias
nicht so gut wie erhofft, ich bitte dafür um Entschuldigung.
Im Kressetest zeigten die
untersuchten Verbindungen zu unserer Überraschung bereits beim Einsatz von
gesättigten wäßrigen Lösungen mit Konzentrationen im Bereich von 0.05 mg/ml, im Gegensatz zu
früher verwendeten Konzentrationen also etwa zwei Zehnerpotenzen verdünnter,
deutliche Wirkungen auf das Haarwurzelwachstum der Kresse.
Dargestellt sehen Sie die
Entwicklung der Wurzelhaare, in der Mitte in destilliertem Wasser, jeweils
links und rechts die Versuchsansätze. Beide Verbindungen wirken, wie nach
unseren Vorstellungen erwünscht, recht moderat. Die Haupwurzel ist normal
entwickelt, die Wurzelhaare sind eher rudimentär. Auf dem nächsten Dia sind
Verbindungen mit stärkerer Hemmwirkung zu sehen.
Dia [xx]. [Dia Kresse TH87, TH107,
TH106] 36
Erwähnt werden soll der
deutliche Unterschied in der Hemmwirkung zwischen Th107 und Th106, die sich nur
durch den 4-Chlorsubstituenten am Phenylring unterscheiden, eine Beobachtung,
die wir auch früher schon machen konnten.
Die Acylcarbamoylisoharnstoffe riefen eine
drastische Hemmung des Wurzelhaarwachstum, zum
Teil der gesammten Wurzel, hervor, so daß aufgrund unserer bisherigen
Erfahrungen eine mutagene Wirkung zu vermuten ist. Wir schließen dies aus
Vergleichuntersuchungen mit als Arzneistoffen bekannten Zytostatika und
Mutagenen Chemikalien, die wir durchgeführt haben[xxv].
Dia [xx]. [DiaTH6 N,O‑Diaryliso,
TH59, TH92] 37 Spaltungsversuche der Umsetzungsprodukte mit
Arylisocyanaten zeigten, daß für eine ausreichende thermische Stabilität und
hohe Nucleoselektivität eine O‑Arylisoharnstoffstruktur gebildet aus
einem sekundärem aromatischem Amin, notwendig ist, wie sie im oberen Teil des
Dia zu sehen ist. Spaltungen mit Piperidin ergaben bis 98% Spaltprodukte des
erwarteten Isocyanattyps.
Die Verbindungen TH59
und TH92 im unteren Teil des Dia
zu sehen kommen einer optimalen
Hemmwirkung des Haarwurzelwachstums und damit unserer Modellvorstellung über
Produkte, die es sich lohnt weiter zu untersuchen, sehr nahe.
Vergleichstestungen mit den als
Ausgangsverbindungen eingesetzten Isoharnstoffen, die als Alkyl‑ und
Arylantien selbst eine Hemmung des Wurzelhaarwachstums auslösen könnten zeigen,
daß diese das Wurzelhaarwachstum erst sehr viel ab höheren Konzentrationen
beeinflussen.
Dia [xx]. [DiaTH5 HNCO‑Übertragung] 38
Eine chemisch
interessante Reaktion trat bei
der Umsetzung von N,N‑Diethyl‑O‑phenyl‑isoharnstoff mit
Phenylisocyanat ein. Statt des erwarteten Carbamoylisoharnstoffes (Verbindung TH29 links auf dem Dia)
erhielten wir bei
Umsetzungen bei Raumtemperatur
stets die um ein HNCO‑ Fragment reichere Verbindung TH24 (rechts).
Dia [xx]. [Dia Röntgenstruktur] 39
Die Strukturaufklärung dieser,
in Form sehr regelmäßig gebauter monokliner Kristalle vorliegenden Verbindung,
erfolgte mittels IR, NMR und der hier gezeigten Röntgenstrukturanalyse.
Gleichartige Produkte traten nur
mit aminhomologer Verbindungen (N,N‑Dipropyl‑
und N,N‑Dibutyl‑O‑phenyl‑isoharnstoffen) bei gleicher
O-Phenylsubstitution mit Phenylisocyanat auf. Versuche entsprechende Produkte
bei Isoharnstoffen mit veränderter Phenolkomponente, bei anderer Temperatur
oder mit einem anderen Isocyanat zu erzielen, führten stets nur zu
Carbamoylisoharnstoffen.
Die eigentlich Zielverbindung wie TH29
erhielten wir erst durch Umsetzung in absolutem Ether bei ‑60oC.
Dia [xx]. [DiaTH3 Reaktionsmechanismus
1.Teil] 40
Als Reaktionsmechanismus für die
Bildung der Verbindungen nehmen wir einen viergliedrigen Übergangszustand an,
aus dem beide durch Umlagerung, je nach thermischen Bedingungen, hervorgehen
können. Bei ‑ 60oC kommt es durch Protonenwanderung und
Bindungsumlagerung zum Carbamoylisoharnstoff.
Bei Raumtemperatur entsteht
neben dem Hauptprodukt TH24 der Isoharnstoff (TH30), dessen Bildung sich
ebenfalls durch Umlagerung aus dem Übergangszustand erklären läßt.
Dia [xx]. [DiaTH4 Reaktionsmechanismus
2.Teil] 41 Im
weiteren Verlauf des angenommenen Reaktionsmeachnismus reagiert die freie
Isocyansäure mit einem Molekül Phenylisocyanat zum Phenylcarbamoylisocyanat.
Die anschliessende Additionsreaktion an
den Isoharnstoff entspricht dem üblichen Reaktionsablauf.
Die Bildung des Isoharnstoffs
TH24 konnte durch unabhängige Gegensynthese auf literaturbekanntem Wege[xxvi]
bewiesen werden[20]*.
Das Auftreten freier
Isocyansäure konnte bisher nicht nachgewiesen werden, wir glauben allerdings, das Abfangversuche unter den Reaktionsbedingungen auch
äußerst problematisch sind.
Eine begrenzt vergleichbare
Reaktion ist in der Literatur[xxvii]
beschrieben worden:
Dia [xx]. [DiaTH7 Triazinbildung] 42
Hier reagiert das Cyanatanion
mit Isocyanat bei 75oC in DMF über die nicht isolierte Zwischenstufe
des Phenylcarbamoylisocyanations zum entsprechendem 1,3-disubstituierten, nicht
zum trisubstituierten Triazin. Diese bildet sich hingegen ohne
Kaliumcyanatzusatz.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren, damit bin ich am Ende meines Vortages.
Ich hoffe, daß ich Ihnen zeigen
konnte, daß auch recht einfach gebaute Verbindungen noch interessante
biologische und chemische Probleme zur Bearbeitung bieten.
Abschließend bleibt nur noch
meinen Mitarbeitern Herrn Jörg Heuer, Thomas Höppner und meiner technischen
Assistentin Frau Sabine Jürgens für ihre Mitarbeit zu danken und Ihnen danke
ich für Ihre Aufmerksamkeit.
[2] "Transportformen 1.ter Art" sind in der
Natur und bei synthetischen Arzneistoffen schon lange bekannt. So stellen die
in verschiedenen Pflanzenarten vorkommenden Glucosinolate Lager- und
Transportform für die mit breitem germicidem Wirkungsspektrum versehenen Isothiocyanate
dar, die aus ihnen durch biochemische Prozesse hervorgehen.
[11]
Ein unterschiedliches Spaltungsverhalten durch den Wechsel von primärem zu
sekundärem Amin war nicht zu beobachten.
Ohne Aminzusatz und gegen andere Nucleophile waren die Substanzen stabil.
[16] Die Dimroth Umlagerung wird üblicherweise als basisch katalysierte, thermisch
ausgelöste Ringöffnungs- und Recyclisierungsreaktion mit dazwischenliegender
Isomerisierung und "Platzwechsel" zwischen Imino- und Aminofunktion
beschrieben.
[18]Die
Übereinstimmung von Kraftfeldrechnungen (MM2) mit experimentellen Werten bei
einfachen Verbindungen /1/2/ (z.B. Alkane 1.8 J/Mol; Alkohole/Ether 2.1
KJ/Mol; Carbonyle 4.1J/Mol) ist sehr gut. Probleme könnten durch die
Heteroatome entstehen. Diese ändern jedoch ihre Lage nicht,beteiligt
sind nur Kohlenwasserstoffreste und der errechnete Energieunterschied ist ist erheblich
größer als der Vertrauensbereich der Methode.
Semiempierische Methoden und gute "ab initio" wären besser, wir
haben jedoch für beide keine Möglichkeiten.
/1/ U. Burkert/N.L.Allinger,
Molecular Mechanics, ACS Monographie Series Washington C 1982
/2/ R.W.
Kunz, Molecular Modelling für Anwender, Teubner Studienbücher Chemie,
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[xxvi].
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